Samstag, 10. Mai 2014

Weil's so schön war!

Ja, weil's so schön war, hier gleich noch einmal ein Anhang mit mehr Informationen (und dem 1. Absatz des 1. Kapitels).

Ja, ungefähr so sehe ich
manchmal aus! =D
Ich kenne ja das Problem, wenn man eine Geschichte schreibt und an diesem verfluchten ersten Satz. Da kann man eigentlich wochenlang eine leere Seite anschauen, ohne irgendetwas Produktives zustande zu bringen.
Meistens soll es ja ein Satz sein, mit dem man den Leser fesselt und ihn zum Weiterlesen animieren möchte. Dann kann man sich ja zum Beispiel mal überlegen, bei welchem ersten Satz man selbst weiterlesen würde.
Außerdem kommt es auch darauf an, was von der Geschichte man dem Leser als erstes präsentieren möchte. Die Stimmung? Einen der handelnden Charaktere? Die Umgebung? Die Geräusche?

Hier mal einige Tipps, wie ich das machen würde (nur zum Anregen gedacht. Ich weiß ja nicht, ob meine ersten Sätze spannend sind, aber daran habe ich mich zumindest immer gehalten =D )


  1. Stimmung: Zur Stimmung kann man vieles sagen. Meistens bezieht sich dass dann ja auf die Stimmung, in der der handelnde Charakter sich gerade befindet. Vielleicht ist er ja wegen etwas verärgert? Dann könnte man in etwa so beginnen: "Wütend stürmte er die Treppe hinunter." Das wirft dann ja schließlich die Fragen auf: Warum ist er wütend? Wo befindet er sich? Alles Dinge, die man dann nach und nach entfalten kann. Will man die Stimmung des Ortes rüberbringen, kann man es zum Beispiel so lösen: "Dunkel hoben sich die Häuser vom klaren Wasser des Sees ab." Ist aber eigentlich nicht zu empfehlen. Ich würde da zur ersten Variante greifen.
  2. Handelnde Charaktere: Der Kern einer jeden Geschichte. Die sollten ja eigentlich im ersten Absatz des ersten Kapitels vorgestellt werden, zumindest einer davon! Ein Beispiel: "Es war Claires siebzehnter Geburtstag, und gleichzeitig aber auch der zweite Todestag ihrer Eltern." (gut, unelegante Lösung. Aber ich hoffe, es ist rübergekommen, wie man das schreiben kann!)
  3. Umgebung: Ein Klassiker, allerdings meistens ziemlich langweilig. Keiner will ein Buch lesen, dessen erster Satz schon ist "Der Wald um sie herum war grün." Man kann aber mit Worten die 5 Sinne des Lesers ansprechen: "Als sie die Augen aufschlug, schien ihr das Sonnenlicht direkt in die Augen hinein. Vögel zwitscherten und eine kalte Brise wehte durch die offenen Fenster ihrer Kutsche - sie mussten wohl im Wald sein." Merkt ihr den Unterschied?
  4. Geräusche: Ergibt sich eigentlich aus Punkt 3.

Ich hoffe, ihr habt jetzt einige Anregungen erhalten. (Was mir gerade auffällt, ich scheine irgendwie einen "Zahl 7" Fetisch zu haben. Wenn ich mal nicht aufpasse, schreibe ich 3 Wörter, in denen immer die Zahl 7 vorkommt. Immer. Beispiel: "Mit sieben... Was zur Hölle?")


Was mir aber in letzter Zeit damit hilft: Meditieren. Ohne Witz, das hilft wirklich. Dabei kommt der Geist zur Ruhe, und man geht mit einer ganz anderen Einstellung an die Geschichte. Immerhin hat man jetzt nicht mehr so einen Druck und einen freien Kopf.

Wie man richtig meditiert, ist auch so eine Sache. Hier sind mal ein paar Websiten, die es, wie ich finde, echt gut erklären:
ZEN - Meditation
Leute, ohne Witz, Meditieren entspannt wirklich...

So, reicht ja mal fürs Erste. Im Anhang gibt es den 1. Absatz meines 1. Kapitels! Das Projekt heißt Die Kralle und ist aus der Sicht von Evelynn, einem 17-Jährigen Mädchen, geschrieben (DA! Schon wieder die 7!) Untypisch für mich: Es ist die Ich-Perspektive und außerdem Präsens. Na, vielleicht gefällts euch ja! =)

Und jetzt gute Nacht, schlaft gut und träumt was schönes (oder macht's wie ich und setzt euch vor eure Schreibprojekte!)

Quelle Bilder:
Verzweifelter Geschäftsmann: http://us.cdn4.123rf.com/168nwm/viktor88/viktor881209/viktor88120900006/15234766-verzweifelt-geschaftsmann.jpg
Meditation: http://www.pm-magazin.de/sites/www.pm-magazin.de/files/imagecache/lightbox/images/Meditation.JPG

So, hier der erste Absatz.


Die Kralle

Kapitel 1

Das Wasser in meinem Gesicht ist mittlerweile eiskalt. Eigentlich logisch, das kommt eben davon, wenn man es eine gefühlte Ewigkeit nur anstarrt, ohne es zu nutzen.
Zögerlich tauche ich meine Hände erneut ein, spüre, wie sie vom kalten Wasser umschlossen werden, und forme sie zu einer Schale. Dann landet ein neuer Schwall davon in meinem Gesicht. Und noch einer.
Mein Gesicht dürfte inzwischen sauber genug sein, aber ich kann trotzdem nicht aufhören, mir erneut eine Ladung Wasser nach der anderen auf die Haut zu klatschen.
Eigentlich soll das Wasser bewirken, dass ich ruhiger werde - davon merke ich aber bisher noch nichts. Zwar bin ich wach, aber noch lange nicht ruhig.
Ich hasse dieses Gefühl. Allein schon, wenn ich daran denke, auf die Straße zu gehen, dreht sich mir der Magen um, das Herz klopft laut und ich habe Mühe, ruhig zu atmen. Ich hasse es, wenn ich mich so fühle. Es bedeutet, dass ich keine Kontrolle über mich habe.
Was ich noch weniger leiden kann.
Ich greife nach dem Tuch neben der Waschschüssel und wische mir mehrmals hektisch über das Gesicht, bevor ich es achtlos in die noch zur Hälfte mit Wasser gefüllten Schüssel werfe. Ein wenig Wasser schwappt über auf den Boden und bildet Flecken auf dem dunklen Holz. Ich ziehe den Tisch, auf dem die Schüssel steht, ein wenig zur Seite und stelle mich direkt vor dem Spiegel.
Obwohl ich mir die feuerroten Haare - kein Scherz, die sind wirklich so rot - zurückgebunden hatte, sind sie am Ansatz trotzdem nass. Verdammt.
Ich löse das Band, sodass mir die fast taillenlangen Haare offen über die Schultern fallen, und betrachte das Mädchen im Spiegel genauer. Wenigstens sehe ich nicht genauso ruhelos aus, wie ich mich fühle. Die grünen, mandelförmigen Augen schauen mir fast gleichgültig entgegen, auch wenn sie unruhig hin und her zucken. Und meine Locken fallen sowieso immer, wie sie es wollen. Was auch der Grund ist, warum ich stets versuche, sie mit einem Zopf zu bändigen - ohne großen Erfolg, versteht sich. Trotzdem fallen immer, wirklich immer einige Strähnen heraus.
Ich sehe schon, ich fange wieder an zu schwafeln. Noch ein Grund, warum ich es hasse, aufgeregt zu sein.
Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. „Wie lange willst du noch da drin bleiben?“, fragt die Person hinter der Türe. „Andere hier müssen zur Arbeit!“
„Welche Anderen?“, rufe ich zurück, ohne mich vom Spiegel abzuwenden. Zum Glück klinge ich nicht ängstlich und aufgewühlt, obwohl meine Hände mittlerweile genau deswegen zittern. In meiner Stimme liegt trotzdem der gleiche sarkastische Ton wie immer, und zittern tut sie auch nicht. „Außer mir gibt es in dieser Wohnung nur dich, du elender Faulpelz!“
Mein Mitbewohner, Kian, weiß genau, dass ich es nicht beleidigend meine. Vielleicht nur ein kleines bisschen. So gehen wir nun schon seit fast zwei Jahren miteinander um, seit er hier eingezogen ist. Würde ich ihm keine Schimpfwörter an den Kopf werfen, würde er merken, dass etwas nicht stimmt.
Kian lacht leise. „Dieser elende Faulpelz arbeitet dafür, dass wir nicht verhungern. Und wenn du nicht bald deinen Hintern aus dem Zimmer bewegst, komme ich zu spät!“
Ich seufze. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Seit zwei Jahren wohne ich nun zusammen mit Kian in einer Wohnung in den Feldern, dem Armenviertel der Kaiserstadt. Und das auch nur, weil wir beide keine andere Wahl haben. Er ist hier geboren, ich wurde hierher verbannt.
Kopfschüttelnd gehe ich zur Tür, schließe sie auf und sehe mich meinem Mitbewohner gegenüber. Kian steht direkt vor der Tür, sodass ich fast in ihn hineingelaufen wäre. Als ich heraus komme, mustert er mich von oben bis unten. „Die lange Zeit hat dir aber nicht viel gebracht, oder?“ Sein Grinsen wird breiter, ich ziehe nur eine Augenbraue hoch. „Du hast immer noch dein Schlafzeug an“, fügt er schließlich hinzu.
„Vielen Dank“, entgegne ich schneidend und schiebe mich an ihm vorbei in die Küche, „von alleine wäre ich darauf niemals gekommen.“
„Dafür hast du ja schließlich mich“, ruft er mir nach, bevor er selbst im Bad verschwindet und die Tür hinter sich schließt. Ich schneide der Tür eine Grimasse und drehe mich um.
Unsere Wohnung ist verhältnismäßig groß, zumindest größer als die meisten Wohnungen in den Feldern. Es ist schon ein Luxus, dass wir überhaupt ein Bad haben - von den beiden Schlafzimmern ganz zu schweigen. Die Zimmer sind eher klein, aber wenn man nichts Anderes gewöhnt ist, stört das auch nicht so sehr. Ich zumindest kann mich noch kaum an die Zeit erinnern, als ich nicht hier gelebt habe.
Ich schaue auf das Obst auf dem Esstisch, aber bei dem Gedanken an Essen wird mir fast schlecht. Verdammter Körper.
Warum ich so aufgeregt bin? Ganz einfach: Heute ist der erste Tag an der königlichen Schule.
Sie müssen verstehen, die königliche Schule trägt ihren Namen nicht zu Unrecht. Sie liegt im Edelviertel, dem genauen Gegenteil zu den Feldern. Fast alle Schüler sind die Kinder reicher Familien, und die, die es nicht sind, kommen aus dem Marktviertel, wo ihre Eltern als Händler arbeiten und dementsprechend auch genug Gold für diese Schule haben.
Einige wenige der Schüler stammen auch aus den Feldern. Nur weil man hier lebt, heißt das nicht, dass man zwingend arm ist - wenn ich zum Beispiel an den Wirt denke, der anscheinend keinen Namen hat, weil er von jedem nur noch „der Wirt“ genannt wird...
Er nimmt auf jeden Fall genug Geld ein, um sogar seine beiden Kinder auf die königliche Schule schicken zu können, auch wenn es ihn sechshundert statt dreihundert Goldstücke im Jahr kostet.
Und ich habe nur den Vorteil, dass meine Eltern mir ein kleines Vermögen hinterlassen haben, als sie gestorben sind, was auch der einzige Grund ist, warum ich in einer Wohnung mit zwei Schlafzimmern wohne.
Auf dem Weg in mein Zimmer schnappe ich mir doch einen Apfel. Man weiß ja nie.
Mein Zimmer sieht genauso aus wie noch vor drei Tagen. Die beiden Decken auf dem Bett liegen zerknüllt in der Ecke, genau wie das Kissen, auf dem Boden liegen jede Menge Pfeile verteilt und die, die sich nicht auf dem dunklen Holz befinden, stecken tief in den Türen meines Kleiderschranks. Der dazugehörige Bogen hängt dafür ordentlich an der Wand über meinem Bett. Er ist ein Erbstück meines Vaters und die einzige Sache in meinem Besitz, um die ich mich regelmäßig kümmere.
Jeder hat eben seine Prioritäten.
Ich steige über einige der Pfeile auf dem Boden. Zwei wandern unabsichtlich unters Bett - wunderbar, die sehe ich nie wieder - dann bin ich an meinem Kleiderschrank. Als ich die Türe öffne, starrt mir erst einmal eine gähnende Leere entgegen.
Ich besitze nicht viel Kleidung, ich wüsste auch nicht, wozu. Im Schrank liegen ziemlich unsauber gefaltet zwei Hosen, eine Jacke, mehrere schwarze Oberteile und auf dem Boden steht ein paar schwarzer Lederstiefel. Nicht zu vergessen die schwarze Kapuzenjacke, die in der hinteren Ecke versauert und sich mittlerweile ziemlich gut an die Dunkelheit und den Staub im Schrank angepasst hat.
Ich greife seufzend nach dem einzigen hellen Kleidungsstück, das ich besitze: Die helle Hose, die ich nur gekauft habe, um nicht gänzlich in der Schule aufzufallen. Was ich zwar so oder so tun werde, aber man muss es ja nicht herausfordern.
Die Hose ist hellblau, lang und ziemlich eng anliegend. Es ist überhaupt ein Wunder, das sie mir passt, sowohl von der Länge als auch vom Bund. Bei meiner Größe ist es immer schwierig, passende Hosen zu finden.
Das Schlafzeug werfe ich unachtsam aufs Bett und ersetze es durch besagte helle Hose, ein schwarzes Oberteil und die schwarze Lederjacke. Die Haare fasse ich wieder zu einem Zopf zusammen, und wie erwartet bleiben einige Strähnen trotzdem draußen hängen. Ich versuche, sie mir aus dem Gesicht zu pusten, allerdings ohne großen Erfolg.
Auf dem kleinen Tisch neben meinem Bett liegt ein einzelner, silberner Ohrring. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, ihn anzulegen, entscheide mich aber dann doch dagegen. Im Moment kann ich ihn nicht brauchen.
Raus aus meinem Zimmer, zurück in die Küche. Kian sitzt am Tisch und beißt genüsslich in einen Apfel. Ich habe meinen immer noch in der Hand. Kopfschüttelnd lege ich ihn zurück in die Schale und setze mich auf dem Stuhl gegenüber von Kian.
Eine Weile herrscht Stille. Schließlich sagt er: „Morgen.“
Ich nicke nur, ohne ihn anzusehen.
„Wo warst du gestern?“
Versucht er jetzt wirklich krampfhaft, ein Gespräch anzufangen? „Wo hätte ich denn gestern sein sollen, dass ich da nicht war?“
„Jake“, ist alles, was Kian darauf antwortet, aber ich weiß, was er damit meint.
Jake ist der Übungsplatz auf den Dächern der Häuser in den Feldern. Dort trainieren einige junge Erwachsene der Felder, sich schnell durch die Stadt bewegen zu können. Zumindest durch unser Viertel, ohne eine entsprechende Genehmigung dürfen wir es nicht verlassen.
Diejenigen, die das geschafft haben, nennen wir Walker. Sie überbringen meistens Botschaften in den Feldern, von denen andere nichts mitbekommen sollten. Kian ist einer dieser Walker und hat darauf bestanden, aus mir ebenfalls einen Walker zu machen. Zwar kann ich mich jetzt schnell durch die Stadt bewegen, aber ein Walker bin ich trotzdem nicht. Muss ich auch nicht sein.
„War da gestern etwas?“, frage ich, ziemlich dümmlich, wie es mir vorkommt.
Er schüttelt den Kopf und wirft den angebissenen Apfel in seiner Hand hin und her.
„Warum fragst du dann, wo ich gestern war?“
„Einfach so.“
„Hä?“, mache ich. Jetzt nehme ich mir doch wieder den Apfel aus der Schale, wische ihn an meinem Hemd ab und zwinge mich, hineinzubeißen. „Das ergibt keinen Sinn“, sage ich, wegen dem Apfelstück in meinem Mund versteht man aber nur die Hälfte.
„Gestern war Montag“, klärt mich Kian auf. „Normalerweise bist du dann immer dort anzutreffen.“
„Ich hatte zu tun.“
„Aha.“ Erwartungsvoll schaut er mich an und fordert mich stumm auf, weiterzuerzählen.
Ich gebe schließlich seufzend nach. „Ich war im Edelviertel.“
Seine Augenbraue wandert steil nach oben. „Was wolltest du denn da?“
Ich suche den Tisch nach dem Stück Papier ab, das es mir ermöglicht, ins Edelviertel zu kommen, und wegen dem ich gestern genau dort war. Es klemmt unter der Obstschale fest, damit ich es ja nicht verlieren kann. Ich ziehe es heraus und halte es Kian direkt unter die Nase. „Deswegen.“
Er muss schielen, um zu erkennen, was es ist. „Das war doch vor einigen Tagen noch rot“, stellt er fest. „Ist das etwa eine dauerhafte Genehmigung?“ Erstaunt begutachtet er das nun blaue Stück Papier in meiner Hand.
Ich nicke und nehme es wieder an mich. „Die habe ich gestern geholt. Du brauchst gar nicht so zu gucken“, sage ich und beiße noch einmal in den Apfel, „so ein Ding hast du seit vier Monaten.“
Jeder, der die Felder verlassen will, braucht eine solche Genehmigung. Ohne geht’s nicht. Und der Weg, eine solche zu bekommen, ist lang. Erst muss ein Antrag mit Begründung bei der Stadtwache gestellt werden, und wenn die dann der Meinung ist, die Begründung ist gerechtfertigt, wird die Genehmigung offiziell übermittelt.
Ein blauer Papierfetzen bedeutet eine Dauergenehmigung. Diese wird nur sehr selten ausgestellt, ich bekam nur eine, um die königliche Schule besuchen zu können. Kian hat eine, weil er außerhalb der Stadt in den Kohleminen arbeitet. Wie eigentlich jeder Mann, der in den Feldern wohnt. Vor vier Monaten ist Kian achtzehn geworden und wurde gleich zum Arbeiten in die Kohleminen geschickt. Seitdem arbeitet er jeden Tag dort.
Kian lacht leise, sagt aber nichts weiter, bis er seinen Apfel fertig gegessen hat. Er steht auf, geht zum Fenster, öffnet es und wirft das Innere des Apfels auf die Straße. „Wegen dir bin ich viel zu früh wach.“
Verwirrt schaue ich ihn an. „Ich habe mich ins Bad geschlichen“, sage ich mit Betonung auf dem letzten Wort. „Wovon bist du denn bitte aufgewacht?“
Er lacht schon wieder. Im Gegensatz zu mir hat er immer noch sein Schlafzeug an, wie ich gerade feststelle. Dabei muss er eigentlich vor mir die Wohnung verlassen. „Du hast die Tür mit einer solchen Wucht zugeschlagen“, sagt er und setzt sich mir wieder gegenüber.
Ich blinzle. „Ups.“ Tatsächlich. Ich hatte mich zwar auf den Zehenspitzen zum Bad bewegt, allerdings hatte ich die Tür wirklich etwas zu fest zugeschlagen. „Entschuldige.“
„Warum bist du deswegen überhaupt so aufgeregt, Ve-ve?“
„Nicht dieser Spitzname“, stöhne ich und reibe mir über das Gesicht.
Es ist unglaublich, was Kian aus meinem Namen alles für Spitznamen machen kann: Evvy, Eve, Lynne, Ve-ve... Die meisten Leute nennen mich Eve, weil ihnen Evelynn viel zu lang ist. Kian nicht. Er weigert sich beharrlich, mich so zu nennen, sehr zu meinem Leidwesen.
Natürlich antwortete Kian das, was auf so eine Aussage folgen muss: „Warum denn nicht, Ve-ve?“
Ich lehne mich über den Tisch und verpasse ihm einen Schlag gegen den Oberarm. Unbeeindruckt schaut Kian mich an. „Sollte das schmerzen?“, fragt er.
Ärgerlich schnaube ich und lasse mich zurück auf meinen Stuhl sinken. „Ich weiß ja noch nicht einmal, warum“, sage ich, vollkommen aus der Luft gegriffen. Kian schaut mich erst verwirrt an, bis er merkt, dass es nicht mehr um meinen Spitznamen, sondern um den Schultag geht. „Das sollte eigentlich gar keine große Sache sein“, rede ich ungeniert weiter, obwohl Kian den Mund schon geöffnet hatte. „Ich meine, was ist denn schon groß dabei? Das ist doch nur eine-“
„Eine Schule, die die reichsten Kinder der Kaiserstadt besuchen“, beendet Kian meinen Satz. „Falls du es vergessen hast.“
Da ich zu faul bin, noch einmal aufzustehen, trete ich ihm unterm Tisch gegen das Schienbein. Dieses Mal zuckt er wenigstens zusammen. Zufrieden verschränke ich die Arme und lehne mich zurück. „Ich hab’s nicht vergessen, keine Sorge.“
Das Gespräch mit Kian hat mich wenigstens etwas beruhigt, ein Blick auf die Uhr versetzt mich aber gleich wieder in Panik. „Ich sollte los“, sage ich, stehe auf und bemühe mich, das Zittern der Hand, die die Genehmigung hält, zu unterdrücken. Es klappt sogar teilweise, aber Kian merkt es natürlich trotzdem. „Weißt du, Eve, solange du ihnen keine reinhaust“ - er steht auf und klopft mir auf die Schulter - „solltest du eigentlich keine Probleme haben.“
„Ich werde dran denken.“ Ich seufze, schüttele den Kopf und gehe zur Tür. „Und du solltest dich langsam auch mal anziehen“, rufe ich über die Schulter in die Wohnung hinein, während ich die Klinke runter drücke, „hast du nicht vorher noch gemeint, du müsstest arbeiten?“




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